Skulptur-Erfahrungsraum
Jens Rieger
Freier Künstler
Textversion vom 11.09.2025
Skulptur-Erfahrungsraum „Gefühlt Unfassbar“
Das Objekt soll nur einzeln begangenen werden.
Ohne jegliche Vorinformation, um Voreingenommenheit zu vermeiden.
Gedanken des Künstlers:
In der Nachkriegszeit geboren 1954, ist es mir ein Anliegen die Betroffenheit über die zurzeit über 120 Kriege, spürbar zu machen. In dem Bewusstsein nichts davon bisher erlebt zu haben, jedoch vom 2. Weltkrieg nachgeprägt zu sein, kann dieses „Denk-mal“ nur für mich allegorisch verstanden werden.
Das Werk wurde aus dem Gefühl meiner Ohnmacht vor dem Unfassbaren heraus kreiert.
Der Anspruch ist, dass die Arbeit frei von sexistischer, rassistischer, idiologischer, religiöser und politischer Natur sein soll, noch irgendwie verunglimpfen soll.
Es steht für ein zeitloses Denkmal für all die Menschen, die in der Vergangenheit und in dieser Zeit traumatisiert, geächtet, gequält, verfolgt, gefoltert, vergewaltigt, verstümmelt und getötet sind/wurden/werden.
Hier am nicht bezeichneten Beispiel des NS-Regimes.
Es soll durch Konfrontation mit der Pseudorealität, der Allegorie, der eigenen Phantasie und der aufkommenden Gefühle, eine eigene Auseinandersetzung herbeigeführt werden.
Die Einzel-Begehung in der Raumenge, soll das allgemeine Unwohlsein, das dem nicht ausweichen können, spürbar machen.
Allegorien:
Die Sockel-Leiste, die nur unter Schwarzlicht Blaue Farbe annimmt, komplexe Gefühle wie Trauer und Isolation ausdrückt. Und ohne Licht, grün nachleuchtet, zur Abgrenzung in der Dunkelheit.
„Der Schein“ einer Bronzeskulptur, Zeitlos, Wertvoll, im Stil des Pseudorealismus, nur Pappmaché.
Die Farbe Goldbronze, für Ausbeutung, Kinderarbeit, Seltene Erden und Inbesitznahme.
Das „Nachleuchten“, für das Gedächtnis der Erinnerung Für die „Duschen“ im KZ, der unbehandelte Zementestrich
„Die Säuglinge mit erhobenen Armen“, die Anklage durch die Unschuldigsten!
„2 Kinder ohne Kopf“, sie können es noch nicht verstehen. „Zwei abgewinkelte Beine“, Anspielung auf das Hakenkreuz
„Ein Ohr an einer Oberschenkelbacke“ Verhöhnung des Unterlegenen, eines schon am Bodenliegenden zertrampelten versehrten Körpers.
„Eingequetschter Kopf, fehlende Gliedmaßen“, Folter „Kopf Überkopf“, Verlust der Meinungsfreiheit.
„Rasierte Köpfe“, Mittel der Erniedrigung.
Dünne Abdeckungen der Skulptur, „das Leichentuch der Anonymität“.
„Die um Hilfe ringenden Arme“. Weiß, die Farbe der Unschuld der Opfer, der Kapitulation.
An einem Arm steht die Produktion Nr. des Herstellers als Allegorie für die Tätowierung aus der NS-Zeit.
„Die Roste“ an der Kuppel für den Einwurf-Schacht für „Zyklon B“ in den „Duschen“ der KZs zur Vergasung. Die losgelösten „Seifenblasen“, Verkörperung der Befreiung der Seelen. (Ohne Licht nicht sichtbar!)
Die angehaltene Bewegung in der Skulptur, ausgedrückt durch die „Befreiung im Tod und zur Ruhe zurückkehrend“ (verkürzt, frei nach Seneca).
Das geschlossene Raumkonzept, bestehend aus einem schwarzen handelsüblichen Pavillon 2,8 m x 2,8 m, 2,5 m. Fenster abgedunkelt. Der Pavillon steht auf einem unbehandeltem Zementestrich.
Mit einer mittig stehenden Figurengruppe Goldbronze aussehend, mit weißen aufrechten Armen, auf einem 15 cm hohen Sockel mit Leiste, in den Abmessungen von: 1,25 m x 1,05 m, h = 2,50 m.
Es ist eine rundum begehbare Skulptur, Durchgangsbreite zwischen 78 und 88 cm.
Die Tragkonstruktion der Skulptur besteht aus feuerverzinktem Maschendraht. Die Figuren wurden mittels Gipsabgüsse von Schaufensterpuppen und Körperteilen, aus Zeitungspapier, Pappmaché, Bauschaum, Polystyrol gefertigt sowie zwei Kinderspielzeugpuppen.
Über den Köpfen der Figurengruppe ragen raumgreifende Schaufensterpuppen Arme (Epoxie), weiß beschichtet bis zur Decke. Dazwischen sind irisierende Glaskugeln aufgehängt. Eine mit mehreren Blüten, irisierende Gold durchscheinende Plastikblume ragt dazwischen auf. Den Abschluss zur Decke bildet eine von unten sichtbare Roste eines Bodenablaufes in Grau ca. 25 x 25 cm, an der Unterseite der Kuppelmitte des Pavillons.
Abgebildet sind in Teilen: 12 Erwachsene, 2 Kinder, 2 Säuglinge.
Die gesamte Figurengruppe im Halbrelief scheint geschlossen um den Mittelpunkt angeordnet, sie wirken verschmolzen, nur einige Körperteile ragen heraus, es gibt keine klare Abgrenzung der Körperteile sie scheinen verflochten.
Die Körper der Erwachsenenfiguren stehen aufrecht, wirken ausgemergelt, verfallen und als ob sie mit einem sehr dünnen Tuch bedeckt sind. Es sind bis auf 2 Brüste keine weiteren Geschlechtsmerkmale sichtbar. Die meisten Figuren sind vom Betrachter abgewandt, einige wenige zugewandt, mit leeren Augenhöhlen. Zwei Beine liegen abgewinkelt auf dem Sockel. Ein Kopf ist überkopf, einer direkt über dem Sockel durch einen Körper eingeklemmt. Alle Köpfe der Figurengruppe sind ausnahmslos rasiert.
Die 2 vollständigen Säuglinge stehen aufrecht am Boden, an die dahinterliegenden Körper mit erhobenen Armen angelehnt, sie sind von der gesamten Skulpturengruppe losgelöst. In einem Abstand darüber zeigt sich je ein Frauenkopf als Halbrelief, in der Seitenansicht.
Die zwei Kinder stehen jeweils zu- und abgewandt, aufrecht, ohne Kopf.
Direkt im oberen Zentrum der Gruppe ist in der Mitte ein Kopfoberteil zu sehen. Über den Köpfen ragen komplett weiße, zum Teil gebeugte, raumgreifende Arme heraus. Scheinbar aus jeder Hand entflieht eine irisierende Glaskugel „freischwebend“ wie eine Seifenblase.
Eine mit mehreren Blüten, irisierende Gold durchscheinende Plastikblume ragt dazwischen auf. Den Abschluss bildet eine von unten sichtbare Roste eines Bodenablaufes.
Der 1. Blick bei eingeschaltetem elektrischem Licht:
Aus 4 Innenraum LED-Leuchten in den Pavillon-Ecken, erscheint die Skulpturengruppe als eine Bronzeskulptur, mit weiß aufgesetzten Armen. Eine schwarz angestrichene Sockelleiste bildet den Abschluss.
Der 2. Blick bei eingeschaltetem elektrischem UV-Licht:
2 gegenüberliegende LED-Schwarzlichtlampen.
Die scheinbare Bronzeskulptur zeigt sich in Auflösung, aus den Körpern erscheint krakeleeartig grünes Licht. Die Köperhüllen sind aber noch in der Gesamtheit zu erkennen. Der Sockel erscheint nun ohne Farbe, hingegen die Sockelleiste erstrahlt in einem bewegten Blau. Die Arme erstrahlen im Schwarzlicht, in einem überstrahlenden Weiß. Die „Seifenblasen“ sind kaum mehr sichtig, ebenso die Blume und Roste.
Der 3. Blick, ist gänzlich ohne Licht:
Die Sockelleiste erstrahlt in einem Grün das klar zum Boden hin abgrenzt. Hier leuchten die Körper krakeleeartig, alle wie vorher grün, aber sie verschmelzen ohne Abgrenzung. Sind aber durch das vorher gesehene erkennbar. Es existieren nur noch diese „Körper“. Die Arme, die Seifenblasen, die Roste sind nicht sichtbar.
Jens Rieger, Bremen den 11.09.2025
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